I. Entstehungsgeschichte

SomniumN

Die Anfänge dieses Romans gehen zurück auf das Jahr 1593. Damals wollte Johannes Kepler in den Lehrkörper der Universität Tübingen aufgenommen werden und verfasste dafür eine Abhandlung, in der er darzustellen versuchte, wie die Himmelsphänomene und auch die Erde aussehen würden, wenn man sie vom Mond aus beobachten würde. Seine Anfrage wurde jedoch auf Grund seiner Nähe zur kopernikanischen Weltsicht von den Professoren, die noch in ihrem vorwissenschaftlichen Weltbild gefangen waren, abgelehnt. 

Diesen Entwurf überarbeitete er rund sechzehn Jahre später während seiner Prager Zeit und gab dem nun ergänzten Werk den Titel „Somnium oder Nachträgliches Werk über die Lunar-Astronomie". 
Kepler war von seinem Projekt überzeugt und rechtfertigte seine fiktionalen Raumfahrtvorstellungen mit schlüssigen aber auch mutigen Argumenten: „Wer hätte (vor Kolumbus) geglaubt, dass ein riesiger Ozean friedlicher und sicherer überquert werden kann als die schmale Fläche der Adria, der Ostsee oder des Ärmelkanals? ... Man schaffe Schiffe oder Segel, die den himmlischen Winden angemessen sind, und es wird sich jemand finden, der selbst die Leere (des interplanetaren Raums) nicht fürchtet. So lasst uns für jene, die bald diese Reise versuchen werden, die Astronomie aufstellen.“

Zu einer Veröffentlichung zu Keplers Lebzeiten kam es aber dennoch nicht. Als das Werk unter der Presse war, verstarb der Astronom und auch ein naher Verwandter, SomniumDJacob Bartsch, der sich nun um den Druck kümmerte, erlebte die Vollendung nicht mehr.

So veröffentlichte erst Keplers Sohn Ludwig 1634, also vier Jahre nach dem Tod des Vaters, das Buch im Eigenverlag. Wie aus einem Brief Ludwigs an den Fürsten Philipp, Landgraf zu Hessen, hervorgeht, kam es folgendermaßen dazu: 
Ludwig, der erst von einer Reise mit einem österreichischen Baron zurückgekehrt war, bekam Besuch von seiner verwitweten Stiefmutter mit vier kleinen Kindern. Dabei hatte sie unvollständige Somnium-Exemplare und bat auf Grund ihrer Mittellosigkeit um Hilfe, außerdem forderte sie ihn auf, sich um die Vollendung des Drucks zu kümmern. Der Kepler-Nachfahre schreckte zunächst in Erinnerung an Kepler und Bartsch vor dieser Tat zurück. So meinte er: „konnte ich Gutes von diesem Traum erwarten, der meinem Vater und Schwager verhängnissvoll geworden war?“ Doch schließlich entschied er sich doch – nicht wenig stolz – für eine Mithilfe: „Um aber den großen und geehrten Namen meines Vaters nicht erlöschen zu lassen, sondern als Sohn, wenn nicht nach dem Maass meines geistigen Vermögens ihn zu vermehren, so doch zu erhalten, habe ich diese Bitte nicht abgelehnt, vielmehr gern mich ihr gefügt.“

Doch das Werk blieb sehr lange Zeit eine „nur wenigen bekannte literarische Kuriosität“. Dies hatte hauptsächlich zwei Gründe: Jahrelang gab es nur ein lateinisches Original und auch die 1898 entstandene deutsche Übersetzung erleichterte kaum das Verständnis. Bedeutender war aber wohl noch, dass Keplers Traum eben zu traumhaft und damit zu märchenhaft erschien, um ernst genommen zu werden.

 

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