II. Historisch

Die Pocken sind eine viele tausend Jahre alte Erkrankung. So weist der Körper des Pharaos Ramses V, dessen Mumie im ägyptischen Museum in Kairo liegt, eindeutige Zeichen von Pockennarben auf.
Die ersten Pockenepidemien wurden bereits 1000 v. Chr. in China, dem indischen Subkontinent sowie auf der arabischen Halbinsel bekannt. Die erste historisch belegte Pockenepidemie in Europa herrschte im 6. Jahrhundert. Weitere Epidemien traten im 13. Jahrhundert in England sowie im 15. Jahrhundert in Deutschland auf. Mit den spanischen Eroberern kamen die Pocken nach Amerika und spielten dort mit über drei Millionen Toten eine wesentliche Rolle beim Untergang der alten Indianerkulturen der Inka und Azteken.
Nach Europa kamen die Pocken wahrscheinlich 166 mit dem Einzug der siegreichen Legionen nach der Einnahme der syrischen (heutiger Irak) Stadt Seleukia-Ktesiphon. Sie breitete sich rasch bis zur Donau und zum Rhein hin aus. Die Folge war ein Massensterben über 24 Jahre hin. Der Name "variola" soll der Krankheit von dem Arzt und Übersetzer Constantinus Africanus gegeben worden sein.
Die Kreuzritter des 11. und 13. Jahrhunderts trugen zu ihrer Verbreitung wesentlich bei. Seit dem 15. und 16. Jahrhundert waren die Pocken weltweit verbreitet. Über 10% der Kinder starben vor dem 10. Lebensjahr an Pocken. So galten die Pocken in Europa teilweise als Kinderkrankheit.
Ab dem 18. Jahrhundert häuften sich die Pockenfälle und lösten die Pest als schlimmste Krankheit ab. Nach Schätzungen starben jedes Jahr 400.000 Menschen an Pocken. Oft zählten Kinder erst zur Familie, wenn sie die Pocken überstanden hatten. Berühmte Persönlichkeiten wie Mozart, Haydn, Beethoven, Goethe oder eben Johannes Kepler blieben von der Krankheit nicht verschont.
Die Heiratspolitik der Habsburger wurde gleichfalls von den Pocken immer wieder durcheinandergebracht. Die Kaiserin Maria Theresia, die mit der Verheiratung ihrer Töchter an andere Herrschaftshäuser Allianzpolitik betrieb, musste mehrfach ihre Pläne ändern, weil zwei ihrer Töchter an den Pocken starben und eine dritte durch diese völlig verunstaltet wurde.
Noch in den 50er und 60er Jahren gab es in Europa Pockenepidemien, so z. B. 1950 in Glasgow, 1957 in Hamburg oder 1967 in der Tschechoslowakei. Ab 1967 wurde mit groß angelegten Impfaktionen ein weltweiter Feldzug zur Ausrottung der Pocken gestartet. Der letzte Pockenfall in Deutschland trat 1972 auf, als eine aus dem Kosovo eingeschleppte Erkrankung. Der weltweit letzte Fall wurde in Somalia 1977 dokumentiert. Am 8. Mai 1980 wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgestellt, dass die Pocken ausgerottet sind.
Seitdem gibt es, zumindest offiziell, nur noch zwei Orte, an denen Pockenviren lagern, nämlich das Forschungszentrum der US-amerikanischen Seuchenbehörde CDC (Centers for Disease Control) in Atlanta und ihr russisches Gegenstück in der Nähe von Nowosibirsk. Über eine Vernichtung der letzten Bestände wird nachgedacht. Wegen der hohen Eignung der Pockenviren für Biologische Waffen konnte man sich jedoch noch nicht dazu durchringen.


Pockenmord an Indianern

Historisch belegt ist der Einsatz der Pocken als biologische Waffe z.B. aus den Indianerkriegen in Amerika. In Fort Detroit am Ohio waren die Engländer von mit den Franzosen verbündeten Indianern im Jahr 1763 eingeschlossen worden. Daraufhin schenkte der Befehlshaber des Forts, ein Oberst Henry Bouquet, zwei zu Verhandlungen im Fort weilenden Häuptlingen als Zeichen seiner Anerkennung einige pockeninfizierte Decken. Einige Zeit später gab es unter den völlig ungeschützten indianischen Bewohnern und Kriegern der Umgebung eine schwere Pockenepidemie mit zahlreichen Toten. Die Europäer dagegen waren durch zahlreiche frühere Pockenepidemien stark durchseucht und daher relativ wenig gefährdet.

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