Latein

 

Ioannes Keplerus astronomus Germanicus (vixit annis 1571-1630)

I. Keplers Beziehung zur Lateinischen Sprache

Johannes Kepler lernte schon ab seinem fünften Lebensjahr an der Deutsch-Lateinischen Schreibschule in Leonberg Latein.

Mit lateinischer Grammatik und Redeübungen beschäftigte er sich dann in der Klosterschule Adelberg, in die er kurz vor seinem 13. Geburtstag eintrat.

Zwei Jahre später, nachdem er die Abschlussprüfungen in Adelberg mit „gut“ bestanden hatte, entschloss er sich noch drei Jahre die Klosterschule in Maulbronn zu besuchen, um hier unter anderem sein Wissen in Latein zu verbessern. Man sagt hier habe sich Kepler die wirklich große Meisterschaft im Lateinischen erworben, die später so oft und treffend gelobt wurde.

Lateinische Verse Keplers wurden schon zu seiner Studentenzeit in Tübingen gedruckt.
Seine später veröffentlichten Werke zu Astronomie, Optik und Mathematik, zusammen 30 Stück, verfasste er fast alle in lateinischer Sprache.
Überdies beschrieb er sämtliche „Erlebnisse“ der Reise auf den Mond in seinem „Somnium“ auf lateinisch.


Hier die lateinischen Titel einiger seiner Werke:

Rudolphinae

"Prodromus Dissertationum Cosmographicarum continens Mysterium Cosmographicum" (“Vorläufer kosmologischer Abhandlungen, enthaltend das Weltgeheimnis")

„De Fundamentis Astrologiae Certioribus“ („Über zuverlässigere Grundlagen der Astrologie“)

„Ad Vitellionem Paralipomena, Quibus Astronomiae Pars Optica Traditur“ ( „Ergänzungen zu Witelo, in denen der optische Teil der Astronomie fortgeführt wird“)

„De Stella nova in pede Serpentarii“ („Vom neuen Stern im Fuße des Schlangenträgers“)

„Astronomia Nova“ („Neue Astronomie“)

„Stereometria Doliorum Vinariorum“ („Stereometrie der Weinfässer“)

„Harmonices Mundi libri V“ ("Fünf Bücher zur Harmonik der Welt")

„Epitome Astronomiae Copernicae“ ("Abriss der kopernikanischen Astronomie“)

„Tabulae Rudolfinae“ („Rudolfinische Tafeln“) „Somnium“ („Der Traum“)




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II. Lateinischer Originaltext Keplers


Schlusshymne zum „Prodromus Dissertationum Cosmographicarum continens Mysterium Cosmographicum“

Mysterium Cosmographicum

Es handelt sich hier um die Schlusshymne seines 1596 in Tübingen erschienenen Werkes, das auf deutsch übersetzt „Vorläufer kosmologischer Abhandlungen, enthaltend das Weltgeheimnis" heißt. Kepler nannte es „Vorläufer“, weil er derzeit noch ein umfassenderes Werk zur Kosmologie plante, das aber nie in der geplanten Form zustande kam.

In diesem Werk versucht Kepler die Fragen zu klären, ob in der Schöpfung beziehungsweise den Planentenbahnen ein harmonischer Bauplan Gottes zu erkennen ist, ob zwischen den einzelnen Sphären der Planeten bestimmte geometrische Relationen zu finden sind und warum Gott gerade sechs und nicht mehr Planeten erschaffen hat.

Erwähnenswert ist, dass in diesem Werk bereits Ansätze seiner späteren „Weltharmonik“ zu erkennen sind. Und so meinte auch Kepler selbst: "Die Richtung meines ganzen Lebens, meiner Studien und meiner Werke hat von diesem einen Büchlein ihren Ausgang genommen."

Jahre später erfuhr Kepler, dass Galileo Galilei, dem er das Werk zur Begutachtung zuschickte, Gedanken dieses Textes als seine eigenen ausgebe.


Das Keplersche Original und die deutsche Übersetzung:

 

Schlusshymnus zum "Mysterium Cosmographicum"
Kepler OriginalÜbersetzung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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III. Mittellatein - Neulatein

Johannes Keplers Lebzeit liegt gerade am Ende der Epoche des Mittelalters (ca. 5. bis 16. Jahrhundert). Dementsprechend fällt auch seine Form des Lateins mehr oder weniger „zwischen zwei Epochen“. (Denn es lassen sich keine klaren zeitlichen Grenzen zwischen zwei „Sprachepochen“ ziehen, es handelt sich vielmehr um eine allmähliche Entwicklung vom einen zum anderen.)

So wird die mittelalterliche lateinische Sprachform, das sogenannte Mittellatein zur Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts vom Neulatein abgelöst.


1. Mittellatein


Einige Veränderungen im Vergleich zum klassischen Latein:

  • vergrößertes Vokabular, durch Einführung von Wörtern anderer Sprachen:
    - griechisches aus der Kirchensprache wie z.B. episcopus – Bischof oder presbiter – Priester
    - arabisches aus der Wissenschaft wie z.B. alchimista oder algorismus
    - aus germanischen Volkssprachen wie z.B. marcgravius - Markgraf oder burgimagister - Bürgermeister
  • u-Deklination verschwindet mehr und mehr und wird durch o-Deklination ersetzt
  • Vermischung der Verbkonjugationen
  • Temporaunterscheidung wird vernachlässigt
  • Diphtonge ae und oe werden häufig zu e (z.B. coelum – celum)
  • h verschwindet oft oder wird neu eingesetzt
  • ti vor Vokal wird zi gesprochen (z.B. ratio, revolutio)
  • die Silbe vi geht häufig verloren
  • y und i sind austauschbar
  • zwischen m und n wird teils ein p eingeschoben (z.B. somnus – sompnus)
  • die Konstruktion des A.c.I. wird selten verwendet, stattdessen gebraucht man normale Nebensätze mit einer Einleitung durch Konjunktionen wie ut, quod, quia, quatenus, quoniam oder cum, die alle „dass“ bedeuten
  • eine vielfach vorkommende Form ist der ablativus absolutus, der auch oft in Kombination mit Nebensätzen oder ähnlichem steht
  • was uns das Verständnis mittelalterlicher Sätze häufig erleichtert, ist die Tatsache, dass ihre Wortstellung mehr und mehr der der modernen Sprachen nahe kommt


Mittellateinische Lehre

Wie am Beispiel Johannes Kepler schon aufgezeigt, lernten die Kinder früher schon in sehr jungen Jahren die lateinische Sprache kennen, auch zur Zeit des Mittellateins war dies schon der Fall.
Gelehrt wurde sie in kirchlichen Bildungsanstalten, wovon es zwei Arten gab: Klosterschulen und Dom-, Stifts- oder Parochialschulen. Die mit dem Aufblühen der Städte entstandenen Stadtschulen wiederum „sollten im Unterricht von der Muttersprache ausgehen und bis zu den Anfängen des Lateinischen führen“. Auch den jungen Mädchen sollte die Sprache der Römer nicht vorenthalten bleiben: in den Frauenklöstern wurde ebenfalls Wert auf das Erlernen des Lateinischen gelegt.
Unterrichtet wurde unter anderem mit Hilfe folgender gebräuchlichen antiken, im Mittelalter weiterverwendeten Grammatiken:

  • dem kleinen Donat (Kurzdarstellung als Frage- und Antwortspiel)
  • dem großen Donat (für Fortgeschrittene; ausführliche Darstellung als fortlaufender Text)
  • dem Priscian (ebenfalls ausführliche Darstellung als fortlaufender Text)

Latein wird zu dieser Zeit aber nicht nur in den Schulen gelehrt, sondern dort auch gesprochen und war damit als lebendige Sprache im tagtäglichen Gebrauch.


Stellenwert des Mittellateins

Wie schon in Hinblick auf die Lateinlehre zu erkennen, war die Sprache für die mittelalterliche Bevölkerung nicht nur irgendeine angelernte Fremdsprache, Latein war vielmehr „alltagstauglich“ und wurde in vergleichbarem Umfang wie eine Muttersprache verwandt. Nicht umsonst sagt man, das Mittelalter sei zweisprachig gewesen.

Überregional blieb weitgehend die überlieferte Schriftsprache als Verständigungsmittel erhalten, wobei auch diese einer leichten stetigen Entwicklung unterstand.
Latein war die Sprache des Klerus, sowie der amtlichen, kulturellen und literarischen Bereichen, es war also Bildungs-, Literatur- und wissenschaftliche Fachsprache, sowie internationale Verkehrs- und Amtssprache.

So entwickelten sich die gehobene Schriftsprache und die gesprochene Sprache auseinander. Die Schriftsprache entwickelte sich in Kirche, Staat und Bildungswesen zum Mittellatein, die Umgangssprache - regional verschieden - zu den romanischen Sprachen.
Dieses Mittellatein findet sich sowohl in literarischen Überlieferungen jener Zeit als auch besonders im antiken Urkundenwesen und völkerrechtlichen Verträgen.


2. Neulatein

Eine neue Latinität, das Neulatein entstand etwa zur Zeit des 15. und 16. Jahrhundert und wird als radikal konservativ bezeichnet. Das lebendige Mittellatein wurde zur Fehlentwicklung, zum „Küchenlatein“ und zur „unreinen, barbarischen, misshandelten“ Sprache erklärt, die einer „Sprachreinigung“ zu unterziehen bedürfe. Also begeisterte man sich nun wieder desto mehr für das klassische antike Latein und orientierte sich an Stil und Wortwahl altehrwürdiger Schriftsteller wie dem großen Cicero. Ihre Sprache stand für Gelehrsamkeit und Beredsamkeit, die es nun galt wiederzubeleben. Die klassische Sprache wurde zur absoluten Norm erklärt. So standen gesuchte Wortwahl, bewusst komplizierter Satzbau und gekünstelte Sprache hoch im Kurs, was vor allem während der Barockzeit (17. Jahrhundert) zu schwerer Verständlichkeit der Sprache führte.
Auch literarische Gattungen, die inzwischen in den Volkssprachen etabliert waren, wie Dramen- oder Briefliteratur, gingen nun wieder ins Lateinische über. Ebenfalls wurden bereits geschriebene bedeutende deutsche Werke in die neu aufblühende Sprache übersetzt.
Als Vorreiter dieser Entwicklung galten die Humanisten jener Zeit. Wodurch auch die Geltung des Lateins in manchen Bereichen noch verstärkt wurde: Während das Mittellatein dominant die Sprache des Klerus war, traten die Humanisten nun als Philologen, Kanzlisten und Juristen in Erscheinung.


Die Lehre jener Zeit:

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Stellenwert, den die lateinische Sprache in der Bildung zu Zeiten des Mittellateins eingenommen hat auch in den Zeiten des Neulateins beibehalten wurde. Das Erlernen und die einwandfreie Beherrschung des klassischen Lateins im lesenden, schriftlichen und mündlichen Gebrauch stand an erster Stelle der Ziele der Bildungsanstalten. So zeichnete sich ein gebildeter Mann durch fehlerfreie und gewandte Fähigkeiten in der Gelehrten- und Literatursprache aus. ComeniusWegweisende Schriften, die zum Unterricht herangezogen wurden waren neben den klassischen Texten von Cicero besonders die Handbücher des Erasmus’ oder auch die Dialoge des Spaniers Juan Luis Vives.
Hervorzuheben ist wiederum, die Bedeutung des Lateinsprechens in den Lehranstalten. So war es nicht selten, dass Deutschreden in der Schule schlicht und ergreifend verboten war und bestraft wurde. Dies galt nicht nur für den Sprachverlauf während des Unterrichts, sondern auch für schülerinterne Gespräche. Interessant das System eines Schlesen, der einen regelrechten lateinischen Schulstaat aufbaute, in dem die Schüler ganz nach römischem Vorbild als Konsuln, Censoren und Dekurionen tätig waren und in ganz ciceronianischen Art und Weise vor Gericht für Anklage oder Freisprechung plädieren mussten. Die Rolle des Diktators fiel übrigens selbstredend dem Rektor persönlich zu.
Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch der größte Pädagoge jener Zeit und einer der bedeutendsten Lehrbuchautoren und Sprachdidaktiker, Jan Amos Comenius, dessen Methoden ebenfalls hauptsächlich auf das Sprechenkönnen der zu erlernenden Sprache abzielen und der ähnliche Ideen vertrat.


All dies, die Selbstverständlichkeit der frühen Lehre, des fehlerfreien Schreiben- und Sprechenkönnens und des Verfassens wichtiger wissenschaftlicher Werke in der traditionsreichen als ehrwürdig geltenden antiken Gelehrtensprache Latein, findet sich bei Betrachtung des Lebenslaufs Johannes Keplers wieder.

 

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